Kettwa a.d.Eger
1121 - heute
(Kolvina)
Nach den Schriften des Herrn Landesgerichtsrates Josef Stocklöw in Hohenfurt und mit
Unterstützung des Herrn Oberlehrers Johann Klingöhrl in Kettwa und des Herrn Professors Richard Müller in Dresden.
Mitgeteilt von Josef Hoßner.
Den Raum, wo du geboren bist,
Den halte hoch und wert !
Dein Glück und dein Gedeihen ist
Nur an der Heimat Herd.
Felix Dahn.
Geschichtliches.
Gegenüber der Ruine Schönburg, am rechten Ufer der Eger, begrenzt von den Gemeinden Roschwitz, Leskau, Spinnelsdorf, Grün, Humitz, Melk, Woslowitz, Tschirnitz und Klösterle, liegt die Gemeinde Kettwa. Sie bedeckt eine Fläche von 491 Hektar 68 Ar 12 Quadratmeter, wovon 10 Hektar 95 Ar 78 Quadratmeter auf Gemeindebesitz entfallen. Die halbe Eger mit einem Ausmaße von 8 Hektar 43 Ar 63 Quadratmeter ist öffentliches Gut, während der Tru- und der Geigenbach, soweit sie im Gemeindegebiete fließen, Eigentum der Gemeinde sind. Die bedeutendste Höhe ist der dicht bewaldete, zum Reviere Leskau gehörige Schwarzberg (674 Meter), der seinen Abhang dem Egertale zukehrt und von seinem mächtigen Rücken eine reizvolle und lohnende Aussicht bietet. Er besteht aus Basalt und enthält zwei Zwerglöcher. Südlich von Kettwa erhebt sich der Rabenstein zu 703 Meter Höhe, dessen in der Gemeinde liegender Teil den Namen Pragerhaus führt. Hier soll einst ein Schloß gestanden haben. Sein Besitzer übte die oberste Gerichtsbarkeit aus und auf dem Galgenberge stand noch vor Jahren eine rot angestrichene Säule, der Überrest des Galgens.
Den Schwarzberg und den Rabenstein scheidet das Tal des Tru- oder Merzdorfer Baches, der im Gemeindegebiete Kettwaerbach heißt. Dieser entspringt am Birkhübel, durchfließt die Orte Merzdorf, Grün und Kettwa und ergießt sich hier in die Eger. Man sieht es dem klaren Wasser, das in seinen Fluten muntere Forellen beherbergt, kaum an, daß es auch zerstörend auftreten könnte. Am 17.August 1860 war von früh an eine anhaltende, drückende Hitze, sodaß ein kommendes Gewitter vorauszusehen war. Um die 5. Stunde nachmittags fing es an zu donnern und trübe Wolken stiegen auf. Es dauerte gar nicht lange und der Himmel war schwarz bewölkt.
Man hörte vom weitem ein fürchterliches Brausen. Bald brach ein Hagelwetter los, das über eine halbe Stunde anhielt und alle Feldfrüchte vernichtete.
Durch den wolkenbruchartigen Regen schwoll der Ortsbach derart an, daß er nicht nur alle Talwege zerstörte, sondern auch die Schmiedbrücke und zwei Häuser wegriß. Im Hause Nr. 36 wohnte die Großmutter Haas mit 4 Enkeln. Ein im Hochwasser schwimmender Baumstamm verrammelte die Haustür; die Flut unterwusch das Haus und trug es fort, sodaß die 5 Personen ertranken und erst unweit von Kaaden in der Eger aufgefunden wurden. Das Haus Nr. 46 wurde ebenfalls von der Hochflut mitgenommen und ein Glück war es, daß sich die Bewohner, die Familie Eisenkolb, während des Gewitters in Warta befanden. Haus, Stall und die Ziege waren bei ihrer Rückkehr verschwunden. Auch das Haus Nr. 16, dem Wenzel Zirkler gehörig, war so stark unterwaschen worden, daß die Giebelmauer einstürzte. Dieses Unwetter umfaßte eine große Strecke des Landes, u. zw. den ganzen Strich des Erzgebirges bis zum Mittelgebirge.
Kettwa bildet seit dem Jahre 1876 eine selbständige Gemeinde. Früher war es eine Ortsgemeinde der Stadtgemeinde Klösterle. Als Ortsrichter, bzw. Ortsvorsteher werden genannt: Josef Kilian Nr. 4 (Ende der 30 er Jahre durch 12 Jahre hindurch), Josef Höll Nr. 5, Karl Frisch Nr. 10, Wenzel Kilian Nr. 15 (im Jahre 1859), Wenzel Rollinger Nr. 22, Franz Frisch Nr. 28, Josef Ott Nr. 9, Josef Höll Nr. 5, Wenzel Rollinger jun.Nr. 22 (1870 - 1872), Wenzel Kilian Nr. 4 (von 1873 - 1875). Als Gemeindevorsteher: Johann Unger Nr. 14 (1876 - 1882), Wenzel KilianNr. 4 (1882 - 1885), Josef Gamisch Nr. 22 (1886 - 88), Karl Frisch Nr. 10 (1889 - 94), Franz Moritz Nr. 9 (1895 - 1900), Josef Hergl Nr. 26 (1901 - 1909), Anton Löffler Nr. 44 ( 1910 bis heute).
Kettwa gehört zur Pfarre Klösterle, welche auch die Erteilung des Religionsunterrichtes in der Ortsschule besorgt. Seit dem Jahre 1898 besteht eine freiwillige Feuerwehr, deren Hauptmann seit der Gründung Anton Löffler Nr. 44 ist. Die Ruralpost (von Klösterle) wurde am 1. Dezember 1892 eingeführt.
Die Bewohner von Kettwa betreiben Landwirtschaft, Wald- und Fabriksarbeit. Nach den statistischen Tafeln vom Jahre 1863 hatte die Gemeinde Kettwa ein Ausmaß von 854 Joch 480 Quadratklafter. Auf die Domäne Klösterle entfielen hiervon 303 Joch 1055 Quadratklafter, wovon 373 Joch 585 Quadratklafter Wald waren. Es wohnten in 46 Häusern 246 Einwohner, und zwar 110 männliche und 136 weibliche. Kettwa baute 291 Metzen Weizen (1746 fl.), 598 Metzen Korn (2392 fl.), 335 Metzen Gerste (1105 fl.), 150 Metzen Hafer (315 fl.), 300 Metzen Kartoffeln (330 fl.), 1060 Zentner Heu und Klee (2120 fl.) und erzeugte 700 Zentner Stroh (700 fl.), 120 Eimer Milch (480 fl.), 3 Zentner Butter (150 fl.), 1 Zentner Käse und Quark (20 fl.); es besaß 4084 Obstbäume, die 260 Metzen Obst (650 fl.) lieferten und fing 2 Zentner Fische (21 fl.). Die Gemeindejagd war um 14 fl. 60 kr. an die Herrschaft Klösterle verpachtet. Die Mühle erzeugte 700 Zentner Mehl (2800 fl.).
Nach dem Erbbuche vom Jahre 1572 waren in Kettwa drei Teiche: der Eger-, der Damm- und der Sahrerteich. Gegenwärtig bestehen an kleinen Teichen: der Rollinger-, der Brückner-, der Gamisch- und der Kilianteich.
Die herrschende Gebirgsart ist der Basalt, lagernd auf Granulit, dessen Terrasse vom Bach durchbrochen ist und im Unterlaufe des Baches eine höchst romantische Felsenschlucht bildet, die dem berühmten Maler Richard Müller, Professor an der königlichen Akademie für bildende Künste in Dresden, als Vorlage zu vielen seiner Bilder diente. Nicht minder reizend sind die steilen Granulitfelsen am linken Egerufer.
Die übrige Bodenfläche ist zumeist fruchtbares Acker- und Wiesenland. Alle Getreidearten und Futterpflanzen werden angebaut und die Obstbaumzucht erfreut sich einer eifrigen Pflege. Das Jagdgebiet der Gemeinde umfaßt 314 Hektar 07 Ar 91 Quadratmeter und ist gegenwärtig an Josef Kilian Nr.4 in Kettwa verpachtet. Die Fluren führen folgende Namen: die Hofstatt, der Dunger, am Angerpann, am Letten, am Heckelberg, unter dem Berge, in der Kohla, am Schwarzberg, die Sumpfwiese, das Kleinwiesel, der alte Hau, die Liebmeßkirche, der Kannesplatz, im Heuschober, der See, das Rinnwiesel, der Säuanger (die Säuleiten), in der Lohe, der Kerzebühl, auf der Ebene, der Ziegenrück, das Oelwiesel, der Golgenwald, am Pragerhaus, der Trur, im Eiswasser, im Kunzerhau, am großen Stück, die Egerwiese, die Mühlleiten usw. In den 1880er Jahren wurde auf dem Liewaldfelde ein Kiesbruch aufgedeckt, der ein paar Jahre hindurch Quarz für die Massamühle in Klösterle lieferte.
Der Ort Kettwa mit seinen 54 Häusern (55 Nummern) und 277 Einwohnern siedelt auf den Abhängen und der Sohle des obstbaumreichen Trubachtales. Er besteht aus vier Teilen: der Statt, dem Bühl, dem Dorf und dem Mühlbach. Auf der Statt, die mit dem Bühl durch die im Jahre 1883 erbaute Bezirksstraße verbunden ist, sind die Gasthäuser „Zur Linde" (Rollinger) und des Josef Schaffer und die Kaufläden des Josef Rollinger und des Roman Frisch. Im Dorfe steht die kleine Ortskapelle zu Mariahilf (renoviert von der Gemeinde Kettwa im Jahre 1903 mit einem Kostenaufwand von 260 Kronen) und vor derselben die am 24. April 1879 anläßlich der silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten gepflanzten Dorflinden.
Der alte Ortsweg leitet von hier über die Schmiedbrücke zum schmucken Schulgebäude und dann auf den Bühl.
Im Mühlbach erhebt sich die Mühle des Karl Höll. Zu ihr gehörte im Jahre 1572 eine Hube Feld und der vom Grundherrn Leonhard von Vitzthum verliehene Acker am „Hekelsberg". Besitzer war Martin Panner. Im Jahre 1649 zinste die Mühle 45 Strich 1 Viertel 2 Metzen Getreide und im Jahre 1806 elf Gulden im Baren und 32 Strich Metzgetreide (á 4 fl. gerechnet). Lange Jahre war das Müllergeschlecht der Reim hier Besitzer, bis endlich die Mühle im Jahre 1889 an Franziska Höll überging. Knapp bei der Eisenbahn, die 1870 gebaut und 1899 um ein zweites Schienenpaar vermehrt wurde, steht das Gasthaus „Zum Egertal" (Franz Köhler). Aus diesem Hause (Nr.37) stammt Josef Fürst, der Archivdiener im österreichischen Reichsrate in Wien war und im Jahre 1890 mit dem silbernen Verdienstkreuze ausgezeichnet wurde.
Die Geschichte von Kettwa reicht in eine sehr frühe Zeit zurück und ein geheimnisvolles Dunkel, ein ganzer Sagenkreis umgibt den Schwarzberg. Der Name Kettwa (Kotwina = Anker) deutet auf eine Haltestelle an der Eger, und zwar schon in jener Zeit, als die gerufenen Niederländer der Wotscher Propstei das Holz zum Mutterkloster nach Postelberg flößten (1121). Auch der Frankensteig, der die Handelsverbindung zwischen Prag und Erfurt herstellte, berührte den Ort, der im Jahre 1460 zum benachbarten Schlosse Egerberg gehörte. Der Vollständigkeit halber sei hier kurz die Geschichte dieser Burg, die bereits im Jahre 1910 in der „Kaadner Zeitung" erschien, wiedergegeben.
„In dem schönen Lande Böheim,
Unweit von dem felsenreichen
Wildromant´schen Tal der Eger,
Deren Wellen, munter miteinander
Plaudernd, rasch gen Kaaden
Steuern, liegt auf waldgekrönter
Höhe, trotzig niederblickend;
Schmuck und stattlich eine Veste."
Karl W. Gawalowski